Es war keine Leidenschaft auf den ersten Schlag. Florian Moosbrugger war 20, Skifahren, Jagen und Klettern konnte er schon. Warum es also nicht mal mit Golf, diesem Sport für Flachlandbewohner probieren? Vom ein Jahr zuvor beim Bergsteigen im Himalaja verunglückten Vater war doch noch ein altes Besteck da, das sollte für den Anfang genügen. Auch wenn irgendwas seltsam war an den Dingern. Aber trotz bester physischer und grundsportlicher Voraussetzungen wollte kein Funke überspringen. Und als dann noch ein skeptisch zuschauender Freund meinte: „Ich weiß nicht genau was es ist, aber es schaut komisch aus wie du schwingst“, war das Thema für den angehenden Hotelier auf internationaler Wanderschaft erstmal für die nächsten 20 Jahre erledigt.
Beim zweiten Anlauf sah die Sache ganz anders aus. Die Bälle flogen, dass es eine Freude war. Der satte Sound des getroffenen Sweetspots machte Lust auf mehr. Ein neuer Golf-Verrückter war geboren. Was hatte sich verändert? Diesmal hatte er das richtige Besteck – nämlich eines für Linkshänder wie ihn. Florian Moosbrugger lacht herzlich über seine Naivität von damals. Der Chef der weltberühmten Post in Lech und Ehefrau Sandra sind längst begeisterte und weit gereiste Golfer, die genau wissen, was einen guten Platz ausmacht. Und so einen wollten die beiden vor der Haustür haben – vor allem, weil immer mehr Gäste nach Möglichkeiten zum schönen Spiel fragten. Die Moosbruggers waren damit in Lech nicht die einzigen.
Ein Golfplatz auf bisher unerreichten Höhen
Zusammen mit ihnen und elf weiteren Gründern aus Lech nahm Hotelier Clemens Walch einen alten Plan von Florians Papa Franz (dem Bergsteiger und Rechtshänder) der golfbegeisterten Mama Kristl und ein paar anderen befreundeten lokalen Visionären wieder auf und schmiedete Pläne für einen Golfplatz auf einer in Österreich bisher unerreichten Höhe: 1.509 Meter. Das passende Gelände war an den Ufern des Lech zwischen Omeshorn und Kriegerhorn im zweiten Anlauf gefunden. Landwirtschaftlich kaum nutzbare Alpflächen in den Händen nicht golfender Bergbauern. Die Frage drängt sich auf: Wie bekommt man bei dieser Ausgangslage die für einen ausgewachsenen 9-Loch-Platz nötigen Flächen zusammen, Herr Moosbrugger? „Eine entsprechende Pacht hat etwaige Bedenken ausgeräumt.“ Als größere Hürde erwiesen sich die ökologischen Ansprüche des Landes Vorarlberg. Eine langwierige Umweltverträglichkeitsprüfung nahm ihren Anfang. Florian Moosbrugger, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Golf Lech AG ist: „Wichtigster Aspekt war der Masseausgleich. Wir durften Naturmaterial weder zuführen noch abräumen und anderswo ablagern. Und: Wir müssen jetzt den Altarm des Lechs frei halten von angespültem Gestein und Geröll.“ Aber wer hat das vor Gründung des Golfplatzes gemacht? Klare Antwort: „Niemand, denn den Altarm haben wir erst rekultiviert.“
Von Markus Kleissl, dem Vorstand des Clubs, erfahre ich noch ein bisschen mehr. Besonders herausfordernd war die Suche nach dem richtigen Gras für die Grüns. Die Höhe und die lange Wintersaison mit traditionell viel Schnee am Arlberg gaben die Auswahl vor. Die Entscheidung fiel auf schottische Gräser. Eine gute Wahl wie die bestens gepflegten Grüns belegen.
Der Club hat nur rund 450 Mitglieder – gerade genug, um auskömmlich zu wirtschaften. Hilfreich sind auch die vielen Hochzeits- oder Firmenturniere. Hinzu kommt das Greenfee (66 Euro für neun und 98 Euro für 18 Loch) der rund 2.000 Gastspieler jährlich. Ein Großteil davon wohnt bei den Lecher Hoteliers, die ihnen ein vergünstigtes Greenfee anbieten. Die versprechen sich trotz der nur rund vier Monate kurzen Golf-Saison einen gewissen Mehrwert davon. Florian Moosbrugger rechnet vor: „Im Winter haben wir in Lech jedes Jahr 800.000 Übernachtungen. Mehr geht nicht. Im Sommer lagen wir vor Corona bei 120.000 und inzwischen bei 150.000.“ Und diese Steigerung habe sicher auch mit dem 2016 eröffneten Golfplatz zu tun.
Ein paar Pläne für die Zukunft gibt es auch. Die Driving Range soll aus der Ortsmitte, wo sie sich aktuell noch gleich hinter der Post befindet, nach hier oben ziehen. Und das Greenkeeping soll mittels 2022 neu angeschafftem Maschinenpark und amerikanischem Head Greenkeeper auf ein neues Niveau angehoben werden.
Wie sich der ungewöhnliche Platz spielt, erlebe ich als Partner von Florian Moosbrugger bei einem Texas Scramble-Turnier auf Einladung der Liechtensteinischen Landesbank. Alle scheinen sich hier zu kennen und ich als kurzfristig hinzu gekommener Exot werde freundlichst aufgenommen. Organisator und Banker Johannes Wolf ist selbst ein Lecher und hat großzügige Startgeschenke, eine ganze Schar gut gelaunter Kollegen und zwei Fotografen mitgebracht. Die kleine wohlhabende Gemeinde scheint ein wichtiger Betätigungsort für seine Bank zu sein.
Die 1, ein relativ kurzes Par 4, bietet vom leicht erhöhten Abschlag einen guten ersten Eindruck der für einen Gebirgscourse meist erstaunlich flachen Grundcharakteristik. Präzise Drives werden fast überall belohnt. Nicht genug zu loben ist der Abwechslungsreichtum der neun Spielbahnen. Keine ist wie die andere, jede bleibt lange in Erinnerung. Keine Spur von Langeweile. Auch deshalb entscheiden sich viele Gastgolfer den Kurs doppelt zu spielen und so auf 18 Loch zu kommen.
Zum Auftakt lauert an der kompletten rechten Seite das Aus und links ein kleines Geröllfeld plus vier Bunker. Von Beginn an erweist sich Florian Moosbrugger als zwar ehrgeiziger aber unübertrefflich gastfreundlicher Spielpartner. Er überlässt seinem Partner durchgängig die Wahl zwischen Risiko- oder Sicherheitsschlag, markiert den Ball schneller als ich mich bücken kann, gibt verlässliche Tipps dank intimer Platzkenntnisse und freut sich aufrichtig über eine gelungene Aktion. Die Ghettofaust – ein fester Repertoire-Bestandteil des Spitzenhoteliers.
Die 2 ist das einzige Par 5, ein Dogleg nach links mit seitlichem Wasserhindernis und dem breitesten Fairway des Platzes. An der 3, einem scharfen Dogleg nach rechts, wechselt die Richtung. Vorne lauert ein Altarm des Lech, rechts ein abschüssiges Wäldchen und dahinter vor dem erhöhten inselhaften Grün der klare rauschende Gebirgsbach selbst. Diese Topografie und das wunderbar ondulierte Grün verleihen der Bahn einen Hauch von Unvergesslichkeit.
Die 4 kann mithalten. Mit 292 Metern ab gelb relativ kurz, aber schräg vom Lech durchschnitten. Die Fahne ist vom Herrenabschlag unsichtbar. Zahlreiche Bälle im Fluss bezeugen, wie schwer es hier fällt, seinen Ehrgeiz zu zügeln und seine Länge richtig einzuschätzen. Glücklich auf der anderen Flussseite gelandet tut sich die nächste Hürde auf – eine ebenso kleine wie hohe Baumgruppe dicht vor dem Fairway. Kleine Randnotiz: Was so glücklich mit dem zweiten Schlag auf dem Grün begann, erweist sich als Schicksalsbahn für unsere kleine Spielgemeinschaft. Drei Putts und die Chancen aufs Treppchen sind dahin. Die Ghettofaust muss diesmal stecken bleiben. An meinem Partner hat es nicht gelegen – er spielt ein schönes, fehlerarmes Golf mit ziemlich präzisen Längen und weiten Abschlägen.
Es folgen mit der 5 ein klassisches Par 3 mit Bunkerbewehrung davor und dahinter, mit der 6 ein dicht umwaldetes Par 4 bergauf und mit der 7 ein spektakuläres Par 3 mit 140 Metern ab Gelb (122 ab Rot). Der Abschlag liegt hoch über dem Ziel, rechts rauscht der Stierlochbach und das Grün ist dicht von Bäumen und einem fiesen Bunker bewehrt – herrlich! Die letzten beiden Bahnen stehen auf verschiedene Art im Zeichen des geringen Luftdrucks in der Höhe. Die 8, ein mit 79 Metern extrem kurzes Par 3, weil sie maximal präzises Spiel erfordert. Die Bälle fliegen auf 1.500 Metern deutlich weiter als gewohnt und landen gerne im Bunker gleich hinter dem zwar breiten, aber auch kurzen Grün. Und an der finalen 9, einem Par 3 mit allen denkbaren Schikanen, ist langsam die Luft raus – die Höhe macht sich auch physisch bemerkbar. Manchmal könne man hier auch Gämsen in den Felsen des Zuger Schafberges sehen. Und weiter lechaufwärts in der Roten Wand sogar einen der rund 80 Steinböcke der Region.
Das Turnier endet mit einem zünftigen, kulinarisch beglückenden Hüttenabend – Michael, der Bruder von Organisator Johannes Wolf betreibt das Golf-und Sporthotel Hartenfels gleich gegenüber der Anlage und erweist sich als effizienter Champagner-Ausschenker. Am Siegertreppchen sind wir knapp vorbeigeschrammt. Aber vielleicht ist auch das perfekte Gastgeberschaft. Welchen Eindruck hätte es auch gemacht, wenn Florian Moosbrugger den bei manchen Teilnehmern begehrtesten Preis des Abends selbst gewonnen hätte – ein Gourmet-Menü mit allen Schikanen in der Post?
Infos:
Golfclub Lech Arlberg Klostertal, Zug 708, A-6764 Lech. TEL. +43-664-5207115
Post Lech, Dorf 11, A-6764 Lech TEL. +43-55-8322060
Golf-und Sporthotel Hartenfels, Zug 490, A-6764 Lech TEL. 0043-5583-3104 Internet