Ich lehnte mich zurck. Sagen Sie, muss ich jetzt hier bleiben? Ich meine, bin ich eingewiesen oder so was? Sie schaute mich mit besorgtem Blick an, als wre mein Kummer ihr Kummer. Um Himmels Willen nein, beruhigte sie mich. Auf keinen Fall. Wir haben berhaupt keinen Anlass, Sie hierzubehalten. Aus meiner Sicht stellen Sie keinerlei Gefhrdung fr sich oder Ihre Mitmenschen dar. Ich denke, dass Sie vielleicht etwas, nennen wir es exzentrisch, sind. Solange Sie sich damit wohl fhlen, ist das okay. Aber kann es sein, dass Sie sich seit einiger Zeit nicht so wohl fhlen?
Ich nickte.
Schlechte Trume? Schweiausbrche?
Ja.
Auf der Runde keine Entspannung mehr, eher ein inneres Grimmigsein?
Genau.
Alles geht Ihnen auf die Nerven, je mehr Sie trainieren, umso weniger klappt es und vom Golf abschalten wird unmglich?
Woher wissen Sie das?
Alles ziemlich eindeutig. Nichts Ungewhnliches. Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag: Sie bleiben heute noch hier und schlafen sich mal grndlich aus. Ich wrde mich morgen frh ganz gerne noch mal mit Ihnen unterhalten, wobei ich vorher ein paar Dinge abklren muss. Was halten Sie davon? Ich war einverstanden.
Von wegen grndlich ausschlafen. Am nchsten Morgen, zu irgendeiner grsslichen Unzeit, wurde ich von der Nachtschwester geweckt, dann kam ein Mdel, die mein Blut wollte, dann wurden Betten gemacht, dann kam das Frhstck. Totaler Stress. Um 10 Uhr, als ich bei Frau Dr. Zeisig sein sollte, fhlte ich mich wie gerdert.
Als ich in ihrem Gesprchsraum eintraf, hatte sie ihren Kittel noch ber dem Arm. Ihre breiten Schultern und schmalen Hften verstrkten den athletischen Eindruck, den sie machte. Der Pulli zeigte aber auch die weiblichen Aspekte ihrer Persnlichkeit, und das nicht zu knapp. Sie zog sich den Kittel ber, als wollte sie meinen Gedanken in dieser Richtung Grenzen setzen.
Wie geht es Ihnen heute morgen?, fragte sie.
Ich entnehme Ihrer Frage, dass Sie diese Klinik mit ihren Morgenritualen noch nie als Patient erleiden mussten?
Jetzt lachte sie. Schne, weie Zhne.
Setzen Sie sich. Sie wies auf einen Stuhl. Ich habe mit Ihrem Hausarzt Dr. Bercelmeyer gesprochen. Er hat zwar empfohlen, dass Sie noch ein paar Tage zur Beobachtung bleiben sollten, aber dazu besteht aus meiner Sicht kein Anlass. Ich habe Herrn Dr. Bercelmeyer mitgeteilt, dass ich in den nchsten Tagen meine neue Ttigkeit in einer Privatklinik in Bad Berzich beginnen werde. Ich mchte Ihnen nicht verschweigen, dass ich ein gewisses Interesse habe, mich ausfhrlicher mit Ihnen zu unterhalten. Der Golfsport ist fr mich als Suchtexpertin ein interessantes Forschungsgebiet. In den USA, wo Golf als Volkssport etabliert ist, lassen sich die Phnomene der Golfsucht nicht so deutlich beobachten wie in Deutschland. Die Gelder fr meine Arbeit sind schon bewilligt. Vielleicht mchten Sie mich dabei untersttzen, indem Sie mich in Bad Berzich besuchen und mir erzhlen, wie Ihre persnliche Entwicklung als Golfer verlaufen ist?
Ich schaute sie misstrauisch an: Aha, der Bercelmeyer steckt dahinter! Der Mann ist eine Gefhrdung fr sich selbst und seine Mitmenschen. Als Golfer und als Arzt! Ich will Ihnen sagen, was der plant: Bei den nchsten Seniorenmeisterschaften habe ich ein Wrtchen mitzureden, deshalb will er mich einsperren lassen!
Aber nein! Niemand will Sie einsperren. Sie knnen kommen und gehen, wie Sie wollen. Herr Dr. Bercelmeyer hat Sie uns nur als besonders kompetent empfohlen. Er erzhlte mir, dass Sie zum Thema Golfsport publiziert haben. Als Ihr behandelnder Arzt hat er auch erwhnt, dass Sie im Sommer, wohl anlsslich eines Golfturniers, einen massiven Zusammenbruch mit Halluzinationen hatten. Es wrde mich natrlich interessieren, was da passiert ist. Ich beruhigte mich.
Bercelmeyer hat mich empfohlen? Er sagte Ihnen, dass ich schreibe? Frau Dr. Zeisig nickte eifrig.
Ja, und er sagte, es gbe niemanden, ihn selbst eingeschlossen, der mich so kompetent in das Thema Golfsucht und Golfwahnsinn einfhren knne wie Sie.
Das klang gut. Ich fhlte mich geschmeichelt. Mein Erstlingswerk war von der Golfpresse weitgehend unbeachtet geblieben, aber das Buch verkauft sich gut. Ich schreibe eine wchentliche Internetkolumne, in der ich meine Desaster auf dem Golfplatz meist als Racheakt inszeniere.
Also gut. Wann beginnen wir? Und klren Sie das mit der Kasse? Die Lichtheimat-Klinik ist eine Privatklinik, aber meine Abteilung wird vermutlich von den Krankenkassen als Pilotprojekt untersttzt werden. Das wird gerade geklrt. Wenn Sie zustimmen, wrde Dr. Bercelmeyer fr Sie eine Kur beantragen. Dann knnten Sie bei uns Ihre, nennen wir es Erschpfungszustnde, regenerieren und uns gleichzeitig mit Ihrer Kompetenz zur Verfgung stehen. Was halten Sie davon? Die Lichtheimat-Klinik in Bad Berzich ist ein schnes, altes Haus, frisch renoviert. Dank der Frdermittel knnen wir auf diesem vollkommen neuen Gebiet in aller Ruhe forschen. Sie mssten nur bereit sein, die Regeln des Hauses zu akzeptieren.
Diesen Satz berhrte ich.
Dann stoe ich sozusagen als Experte zu Ihrem Team?
So knnte man sagen, als Patient und Experte.
Frau Dr. Zeisig lchelte. Ihre groen Augen schauten mir in die Seele. Etwas in mir zappelte hilflos und ergab sich. Ein lngst verschollen geglaubtes Gefhl irritierte mich. Knnte ich jemals noch etwas anderes als meine Blle und mein Golfbesteck lieb haben? Ich musste an die Frauen denken, die mich verlassen hatten. Diesen Gedanken mochte ich nicht. Aber die Idee, mit Frau Dr. Zeisig Frdermittel zu verbraten, um Golfsucht zu erforschen, gefiel mir gut.
Sowie ich meine neue Arbeit aufgenommen habe und die Kosten-bernahme geklrt ist, werden wir uns unverzglich bei Ihnen melden. Wre Ihnen das recht?
Von mir aus knnte es nchste Woche losgehen. Ich habe nur ein paar Dinge zu erledigen. Aber ich vermute mal, es hat mehr Sinn im Frhjahr, wenn wir uns das Metier im Freilandversuch erarbeiten knnen. Ich war stolz auf meine professionelle Formulierung und schaute Frau Dr. Zeisig erwartungsvoll an.
Prima. Dann sind wir uns einig. Ach, noch eins es gibt keinen Golfplatz in Bad Berzich. Sie werden verstehen, dass wir unseren Patienten jede Versuchung ersparen mssen.
Wie? Kein Golf in Bad Berzich?
Genau. Aber ich bin sicher, dass Sie das verkraften werden.
Ihre Augen strahlten um die Wette. Ich nickte hilflos.